Suppenküche “Tatjana”

Столовая "Татьяна"

Ich bin ein alleinstehender Rentner mit Behinderung; wenn ich in die Armenküche gehe, bekomme ich nicht nur ein gutes Mittagessen nach Hausmacherart, sondern spüre auch ein herzliches und wohlwollendes Verhältnis vom Personal. Für all jene, denen es schwerfällt, von ihrer Rente zu überleben, ist "Tatjana" zu einem Treffpunkt geworden, den die Leute aufsuchen, um zu essen und sich von ihrer Einsamkeit auszuruhen.

Jeden Tag versammeln sich um die Mittagszeit im Speiseraum des Cafés "Tatjana" in der Wwedenskaja Straße 9 in St. Petersburg 110 alte und alleinstehende Leute, Behinderte und benachteiligte kinderreiche Mütter mit ihren Kindern, also jene, die eine Lebenskrise durchlaufen, und jene, die in Not geraten sind. Für sie wird in einer angenehmen Atmosphäre eine tägliche warme Mahlzeit liebevoll und nach Hausmacherrezepten zubereitet. Menschen, die die Suppenküche besuchen, kommen nicht nur hierher, um ihre Körperkräfte und Gesundheit aufrechtzuerhalten, sondern auch, um mit anderen ins Gespräch zu kommen, Erfahrungen auszutauschen und ihre Probleme mit anderen "Freunden im Unglück" zu besprechen. Dieser Umgang hilft ihnen häufig viel mehr als das Mittagessen an sich.

Im Mai 2009 bestand dieses Projekt bereits 5 Jahre seit der Öffnung. Damals, im Jahr 2004, führten die Unternehmer Alexandra Stepanowna Sliskich und Alexandr Fjodorowitsch Sliskich sowie ihr ältester Sohn Pawel ein kleines Café im St. Petersburger Stadtteil „Petrogradskij“. Da fiel ihnen die armselige Situation alter alleinstehender Menschen aus der Nachbarschaft auf, die regelmäßig ins Café kamen und um Hilfe baten. Sie gaben den Alten zu essen, merkten jedoch schnell, dass sie auf diese Weise nicht allen Bedürftigen helfen konnten. Darum wandten sie sich an die Caritas mit dem Vorschlag, ein gemeinsames wohltätiges Projekt einzurichten. Die Familie Sliskich stellte unentgeltlich die Räumlichkeiten ihres Cafés zur Verfügung, um Menschen in Not, die ihre Probleme nicht selbständig lösen können, Mahlzeiten anzubieten. So bringt ihnen das Geschäft nun schon seit fünf Jahren täglich zwischen 11:00 - 13:00 Uhr keinen Ertrag, weil zu dieser Zeit Leute gespeist werden, die nicht einmal ihr Mittagessen bezahlen können. Aber kein Geld kann man mit dem Lächeln und den Dankesworten vergleichen, welche Familie Sliskich täglich zu hören bekommt. Die Köche im Café bereiten das Essen professionell und liebevoll zu und das Mittagessen ist, wie unsere Besucher zu sagen pflegen, "sogar besser als zu Hause".

Auf dem Speiseplan steht unbedingt eine Fleischsuppe, eine Hauptspeise (Würstchen, Frikadellen, Gulasch mit Beilage) sowie Tee oder Kompott mit Gebäck. Zur Zeit beträgt der Wert eines Mittagessens 86 Rubel pro Portion. Diese Kosten werden von Frau Doris Epple und ihren Freunden in Deutschland finanziert.

Sollte jemand wegen eines Termins beim Arzt oder beim Sozialamt nicht zur Armenküche kommen können, nehmen seine Freunde das Mittagessen mit und bringen es ihm nach Hause. Einkommensschwache kinderreiche Mütter bzw. erziehungsberechtigte Großmütter nehmen ebenfalls das Essen mit nach Hause, weil die Kinder in der Schule lernen und mittags nicht in die Suppenküche kommen können.

Die Essenmarke fürs Mittagessen wurde bei den Leuten schon ein "Berechtigungsschein der Barmherzigkeit" genannt. Wer einmal das Glück hatte, den zu erhalten, der wünscht sich diesen auch wieder.

Trotz der schweren, beinahe elenden Lebensbedingungen sieht man beim Treffen mit Leuten, die jeden Tag in die Armenküche kommen, dass sie den Glauben an das Gute nicht verloren haben, und wie sie versuchen, sich gegenseitig zu helfen und zu unterstützen. Es ist sehr schade, dass diese ordentlichen Menschen in unserem Staat unter die Armutsgrenze geraten sind.

In der Suppenküche machen sich unsere Betreuten miteinander bekannt und verkehren nicht nur zur Mittagszeit, sondern auch darüber hinaus, telefonieren miteinander, interessieren sich für die Gesundheit der anderen, usw.

Zu Ostern, Weihnachten und zum Tag des älteren Menschen organisieren wir für Besucher unseres Projektes ein Festessen. Kommt unsere Förderin Doris Epple zu Besuch, bereiten unsere Betreuten ein Konzert mit Musik- und Tanznummern. Die Großmarktkette "Okay" versorgt unsere Alten kostenlos mit Kleidung, Schuhen und hygienischen Pflegemitteln, was für sie eine existenzielle Hilfe darstellt.

Sorge um Menschen, Herzenswärme, nettes und rücksichtsvolles Verhalten, hervorragende Speisen, alles das gibt ihnen ihre Würde zurück und die Erkenntnis, dass sie nicht allein sind und es Menschen gibt, die mitfühlen und helfen wollen.