Durchsuchung in der Caritas

Liebe Freunde und Partner!
Ich verstehe Ihre Besorgnis über die massiven außerplanmäßigen Kontrollen von NGOs, die derzeit in Russland stattfinden.
Davon ist auch die Caritas St. Petersburg betroffen. Am 3. April hat die Staatsanwaltschaft des zentralen Bezirks in St. Petersburg eine außerplanmäßige Überprüfung der Caritas St. Petersburg durchgeführt. Das Ziel der Inspektion wurde nicht erklärt. In einem an mich gerichteten Brief verwies die Staatsanwaltschaft auf Art. 6 (Verpflichtung, den Forderungen des Staatsanwalts nachzukommen) und Art. 22 (Vollmachten des Staatsanwalts) des Föderalen Gesetzes "Über die Staatsanwaltschaft der Russischen Föderation", sowie Art. 32 des Föderalen Gesetzes "Über nichtkommerziellen Organisationen", das von der Kontrolle der Tätigkeiten von Nonprofit-Organisationen spricht.
Unter den Inspektoren waren Vertreter von: Staatsanwaltschaft, Verbraucherschutz, Abteilung für Lebensmittelhygiene, Brandschutz, Bildungskomitee, der Abteilung für die Bekämpfung von Extremismus. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache richten, dass es sich nicht um eine Durchsuchung handelt, wie einige westliche Medien schreiben, sondern um eine außerplanmäßige Überprüfung der Tätigkeit.

Die Inspektoren kamen nicht ins Büro der Caritas St. Petersburg, wo sich die gesamte Dokumentation befindet, sondern direkt zur Adresse Kirillovskaja 19 (die juristische Adresse der Organisation), wo sich unsere Wohltätigkeitsprojekte "Mutter und Kind" und "Zentrum zur Unterstützung behinderte junge Menschen – Bischof-Malecki-Haus." befinden.
Wie ich bereits früher geschrieben habe, wurde der Grund der außerplanmäßigen Kontrolle nicht erklärt; ich hatte den Eindruck, dass die beteiligten Experten nicht darüber in Kenntnis gesetzt waren, was sie prüfen sollen und wozu das nötig ist. So hat die Vertreterin des Bildungskomiteesdem Assistenten des Staatsanwalts erklärt, dass sich die Caritas mit der Sozialisation von Behinderten beschäftigt und keinen Bezug zur Tätigkeit des Bildungskomitees hat.

Da die Kommission die Aufgabe hatte, "dorthin zu gehen - ich weiß nicht, wohin und zu finden - ich weiß nicht, was"[geflügeltes Wort aus russischen Märchen], haben die Mitglieder des Ausschusses alles angeschaut: den Wischmopp in der Toilette (gibt es darauf eine Inschrift, dass dieserMopp nur diese Toilette putzt), haben die Kinderbücher aus dem Projekt "Mutter und Kind" darauf untersucht, ob sie Anrufe zu Extremismus und Terrorismus enthalten (viele Kinderbücher sind auf Deutsch, weil es Spenden aus Deutschland sind; ich weiß nicht, ob der Inspektor Deutsch konnte oder nicht, ob er sie verstehen konnte), überprüften die Baumaterialien, mit denen wir die Renovierung der Räume durchgeführt hatten etc. Nach der Überprüfung der Räumlichkeiten blieb von der gesamten Kommission nur der Assistent des Staatsanwalts, der Mitarbeiter zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus sowie der Steuer-Inspektor, mit denen wir ins Büro fuhren und die Dokumentation anschauten.

Wie ich von Mitarbeitern anderer NGO weiß, die auch überprüft wurden, wurde ihnen Zeit gegeben (bis zu 3 Tagen), um Kopien der Dokumente gemäß einer Liste der Staatsanwaltschaft bereit zu stellen. Ich musste jedoch die Unterlagen während der Inspektion bereitstellen, die einen ganzen Arbeitstag dauerte. Die Forderung der Staatsanwaltschaft an die Caritas bestand aus 26 Punkten. Benötigte wurde alles: vom Statutüber die Symbolik und deren Registrierung. Gefordert wurden außerdem alle buchhalterischen Dokumente, von primären Dokumenten (Spesenabrechnungen), Informationen über die Finanzierungsquellen (es wurde einen Liste aller unserer Geber entnommen), Aussagen über Geldbewegungen auf den Konten, Steuererklärungen usw. bis hin zu Abrechnungen der Aktivitäten der Caritas.

In Caritas St. Petersburg gab es bereits außerplanmäßige Kontrollen durch die Staatsanwaltschaft, aber ich erhielt einen Tag vorher eine Mitteilung und eine Liste aller Unterlagen, die vorgelegt werden müssen Die Inspektoren kamen mit einem konkreten Ziel und diese Kontrollen wurden von Katastrophen nationalen Maßstabes ausgelöst (Brand in einem staatlichen Pflegeheim, in einer NGO wurden Abhängige missbraucht etc.). Solche Kontrollen sind erklärbar und verständlich, und haben sogar einen Nutzen für die Organisationen, sie helfen von außen auf die Tätigkeit zu schauen und Mängel und Fehler zu korrigieren.

  1. Aber am 3. April fühlte ich so starke Emotionen, die ich nicht in einem Wort beschreiben kann:
    Sie kamen ohne Anruf, ohne Vorwarnung, ohne Erklärung, eine große Kommission verschiedener Spezialisten: Sind wir Verbrecher?! Die Caritas hat etwas getan, für das sie bestraft werden muss.
  2. Sie prüfen alles! Im Kühlschrank, wo das Personal seine Lunchtüten unterbringt (weil es nicht möglich ist, für das Mittagessen aus dem Haus zugehen, im Zentrum befinden sich ständig Klienten), liegen gekochte Eier und Wurst. Dies ist ein Verstoß gegen das Gesetz! Dabei hat jeder zu Hause in einem Kühlschrank Butter, Wurst und Gemüse. Wo tun wir Leuchtstofflampen hin? Die Kinder malen – haben sie nicht zu wenig Licht? , Etc., etc., etc. D.h. es wird Strafen für die Verletzung des Gesetzes geben. Wenn die Kommission den Auftrag bekommen - Mängel bei der Ausführung von Gesundheits-und Brandschutzvorschriften kann man immer finden! Wer sucht, der findet! Einige NGOs haben sofort Geldstrafen erhalten ohne eine Frist, die Mängel zu beseitigen.
  3. Sie haben den Entwurf für die Vorträge unseres Arztes im Zentrum „Mutter und Kind“ geprüft, was wollten sie dort finden? Und was haben sie gefunden?

Jetzt, 5 Tagen nach dem Beginn der Überprüfung, habe ich mich beruhigt und kann wieder klar denken.

Meiner Meinung nach hatte die Kontrolle einschüchternden Charakter.
Es findet sich immer ein Grund, einen "an den Ohren zu ziehen" und die Tätigkeit einer Organisation als nicht mit ihrem Statut übereinstimmend und die Gesetz der Russischen Föderation verletzend zu bezeichnen.
[Die Überprüfung] kann nichts Neues ergeben für denjenigen, der den Auftrag gegeben hat: wir veröffentlichen auf unserer Webseite alle steuerrelevanten Berichte, alle Informationen über unsere Aktivitäten veröffentlichen wir auf der Seite des Justizministeriums. Und so macht es jede NGO.

„Massenkontrollen – das ist eine ‚Schuldvermutung‘: die Annahme der Rechtswidrigkeit des gesamten Non-Profit-Sektors. Es entsteht der Eindruck, dass es Ziel der Prüfungen ist, ein negatives Bild von allen Non-Profit-Organisationen in der Gesellschaft zu schaffen."- so heißt es im „Apell der öffentlichen, gemeinnützigenEinrichtungen und Menschenrechtsorganisationen im Zusammenhang mit den Massenkontrollen durch die Staatsanwaltschaft in St. Petersburg ". Ich stimme dem zu, weil die Nachrichten von den Kontrollen der NGO zusammen mit der Nachricht über Diebstahl aus dem Haushalt des Gouverneurs der Region Novgorod an die zentralen russischen Medien gegeben werden. Die zentralen Medien „spielen“ mit dem Publikum eine Agentenverschwörung der NGO, die sich mit Politik befassen und ausländische Finanzierung erhalten.
Ebenso ist es meine Meinung, dass die Überprüfung der Caritas St. Petersburg nichts damit zu tun hat, dass die Caritas eine katholische Organisation ist, dass wir „Fremde“ in Russland sind. Sie kontrollieren einfach die Organisationen, die wirklich funktionieren! Die unabhängig sind, die ihre Prinzipien und ihre Werte in ihrer Arbeit haben. Man überprüfen diejenigen, die wirklich denken und sich um die Menschen kümmern, die mit denen solidarisch sind, die in Not sind. Man überprüft diejenigen, für die das Problem einer bestimmten Person mehr wert ist als die Probleme des Staates. Man überprüft diejenigen, die darüber sprechen, die wollen, dass die Menschen in Russland gut leben können.

Meine Lieben,
Vielen Dank für Ihre Unterstützung und Solidarität mit uns.
Sobald ich die Ergebnisse der Kontrollen vorliegen, werde ich sofort schreiben.
Natalja Pevcova
St. Petersburg, 8. April 2013.