Ergebnisse der Überwachung der Caritas St. Petersburg von der Staatsanwaltschaft

Liebe Freunde,

 in Folge der außerplanmäßigen Überprüfung der Caritas St. Petersburg, die am 3. April 2013 auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft bei uns stattfand, wurde mir die Verfügung 146 über die Eröffnung eines Verfahrens wegen „administrativer Rechtsverletzung“ mitgeteilt.

Wir haben lediglich die Bestimmungen des Brandschutzes verletzt. Wir zählen also nicht zu den so genannten „Ausländische Agenten“. Unsere finanziellen und ökonomischen Aktivitäten weisen keine Verletzungen der Gesetze Russlands auf. Die laufende Tätigkeit steht mit unserer Satzung und der Gesetzgebung der Russischen Föderation im Einklang.

 Zum Hergang der Überprüfungen:

Im Zusammenhang mit der Welle von außerplanmäßigen Massenüberprüfungen der NGOs in Russland auf der Suche nach ausländischen Agenten, welche sich politisch betätigen und finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten, begann die Staatsanwaltschaft des Zentralen Stadtbezirks St. Petersburg am 3. April 2013 auch mit der außerplanmäßigen Überprüfung der Caritas St. Petersburg. Von der Überprüfung erfuhr ich, als sich die Kontrolleure bereits in unserem „Maletskij-Haus“ befanden. Zwei Wochen später suchten sie auch unser „Kania-Haus“ auf.

Die Überprüfung wurde in einem an mich adressierten Schreiben begründet.

Die Staatsanwaltschaft bezog sich darin auf § 6: Verantwortlichkeit Aufgaben und Anforderungen an die Staatsanwaltschaft, und § 22: Befugnis des Staatsanwalts, des föderalen Gesetzes über die Staatsanwaltschaft der Russischen Föderation, aber auch auf den § 32 des Föderalen Gesetzes über die Nicht-Regierungs-Organisationen, in welchem es um die Kontrolle der Tätigkeit von Nicht-Regierungs-Organisationen geht.

Unter den Kontrolleuren befanden sich Vertreter der Staatsanwaltschaft, des Verbraucherschutzes (auch der Lebensmittelhygiene), der Brandschutzinspektion, der Steuerbehörde, des Komitees für Bildung und der Abteilung für den Kampf gegen den Extremismus. Anfangs umfasste der Forderungskatalog gegen die Caritas mehr als 20 Punkte. Im Verlauf der Überprüfung wurde er ständig erweitert. Wir mussten eine große Menge an Kopien unterschiedlicher Dokumente der Jahre 2010 – 2013 zur Verfügung stellen: Versammlungs- und Besprechungsprotokolle, interne Organisationsanweisungen, persönliche Daten der Mitarbeiter, Aufstellungen über Sponsoren, Wohltätigkeitsprojekte und Abrechnungen, Bankdokumente und vieles andere mehr.

Die Mitglieder der Kommission interessierten sich für die zweckentsprechende Verwendung der Finanzmittel, die wir für unsere Wohltätigkeitsprogramme erhalten, für unsere Tätigkeit als Herausgeber, für die Kontostände, für Steuerzahlungen, dafür, wohin, wann und warum unsere Mitarbeiter auf Dienstreise fuhren, oder welchen Inhalt unsere Kinderbücher haben (davon viele in deutscher Sprache). Sie interessierten sich für die Abschriften der Vorträge unserer Ärzte, ob wir die Bewohner unserer Pflegestation dazu zwingen, zum Katholischen Glauben zu konvertieren, ob in unseren Toiletten Schrubber und Besen vorhanden sind, die Lebensmittelpakete, die wir für die Bedürftigen zusammenstellen und für die Frage: Wie kann die Direktorin der Caritas überhaupt von so einem geringem Gehalt leben.

Allem Anschein nach haben wir alle Kontrolleure zufrieden gestellt, außer denen von der Brandschutzinspektion. Auf der Grundlage dieser Kontrollen wurde ein Verfahren wegen „administrativer Rechtsverletzung“ im Bereich des Brandschutzes in den Räumen der Caritas St. Petersburg eingeleitet.

Während der Staatsanwalt mir die Verfügung übergab, äußerte er, dass mit Rücksicht auf die soziale Arbeit, welche die Caritas leistet, das Verfahren wegen „administrativer Rechtsverletzung“ nicht gegen eine juristische Person (die Caritas) angestrengt wird, sondern gegen die Direktorin persönlich. Die Ausübung meiner Tätigkeit beinhalte eine Anzahl „administrativer Rechtsverletzungen“, vorgesehen in den Teilen 1, 3 und 4 des § 20.4 K.O.A.P. Der Russischen Föderation. Das bedeutet, dass Strafen für eine Juristische Person wesentlich höher sind als für eine natürliche Person.

 Natürlich war ich mit vielen der mir vorgeworfenen Verstöße nicht einverstanden, z. B. wegen  der fehlenden Brandschutzzertifikate auf den Teppich- und Parkettböden, die Anfang des vorigen Jahrhunderts ausgelegt worden waren, oder das Fehlen von Gebrauchsanweisungen für die Feuerlöscher, die wir natürlich haben.

Auf meine konkrete Frage an den Inspektor: „Sie haben also Verstöße festgestellt. Bedrohen diese denn die Gesundheit und das Leben der Menschen, die wir betreuen?“ gab er die kurze Antwort: „Nein, diese sind nicht bedroht.“

 Einzelheiten:

2012 gab die Caritas St. Petersburg für Brandschutzmaßnahmen in ihren Räumlichkeiten eine insgesamt 513.784,68 Rub. aus. Dazu gehören: Wartung der Feuermelder, die Kontrolle der Hydranten, die Kontrolle der Netzspannung u. a. Zweimal jährlich werden die Mitarbeiter über das Verhalten im Brandfall belehrt. Die Mitarbeiter der Feuerwehr, die uns betreuen, sind häufige Gäste in unseren Räumen. Wir sind wirklich um die Sicherheit unserer Klienten bemüht. Aber solche Auflagen wie die geforderten zwei Taschenlampen an unserer Pforte (wir setzen nur eine Taschenlampe ein) lassen Zweifel über die Angemessenheit der gestellten Forderungen aufkommen. Die Kontrolleure finden immer einen Vorwand, ziehen Fakten an den Haaren herbei und finden stets Gesetzesverstöße. Hinzu kommt, dass sich die Brandschutznormen ständig verändern und erweitert werden. Es entsteht der Eindruck, dass solche Überprüfungen den Organisationen keine Hilfe bei der Verbesserung der Arbeitssicherheit sind, sondern nur eine Eintreibung von Bußgeldern darstellen, um das Budget aufzufüllen.

 Nun etwas darüber, warum die Caritas in den Kreis der außerplanmäßig überprüften Organisationen geriet, die eine ausländische Finanzierung erhalten und sich politisch betätigen:

Die Caritas ist eine religiöse Organisation und kann ihres Status wegen schon qua Definition nicht unter das „Agentengesetz“ fallen. Doch uns hat man nach allen Regeln kontrolliert und damit auch das Misstrauen bezüglich unserer Arbeit zum Ausdruck gebracht. Zweck unserer Organisation ist die Verwirklichung wohltätiger Arbeit und der soziale Dienst, die Mitwirkung an der Erneuerung christlicher Prinzipien, der Nächstenliebe und der Wohltätigkeit in der Gesellschaft, auf dem Wege ihres Dienstes im Bereich der Sozialarbeit an armen Menschen, der Erhaltung ihrer Gesundheit und der Verteidigung ihrer Rechte.

Natürlich finanziert sich 90 % unserer wohltätigen Arbeit aus ausländischen Mitteln. Die Caritas wurde von der Katholischen Kirche gegründet und ist eine weltweite Organisation. Katholiken auf der ganzen Welt verhalten sich solidarisch und sind so unsere Stütze. Darum gibt es neben den russischen auch viele ausländische Spender, die auf  die Not und das Elend der Menschen in Russland reagieren und die Tätigkeit der Caritas St. Petersburg unterstützen. Unsere Spender tun dies vollkommen selbstlos und fordern dafür keine Gegenleistung. Wir hier in Russland suchen lokale Finanzquellen, nehmen an Ausschreibungen für Kofinanzierungen und Projekte teil. Sehr gern würden wir für unsere Arbeit eine finanzielle Unterstützung seitens unseres Staates erhalten. Aber obwohl der Staat mit unserer Arbeit rechnet, sie bewertet und kontrolliert, so hat er doch dennoch keinen Mechanismus dafür geschaffen, finanzielle Mittel aus den öffentlichen Haushalten religiösen Organisationen zur Verfügung zu stellen, selbst wenn wir dreimal so sozial bedeutsam wären.

Alle Mitarbeiter der Caritas erhalten ihren Lohn aus den Mitteln der Wohltätigkeitsprogramme, welche unsere Spender finanzieren. Die Mitarbeiter und Freiwilligen der Caritas gehören unterschiedlichen Konfessionen und Religionen an. Aber alle teilen die Prinzipien der Caritas. Es gibt unter uns Freiwillige, die vollkommen ohne Gegenleistung bei uns arbeiten. Und wir haben Mitarbeiter, die hoch qualifizierte Hilfe leisten: Psychologen, Sozialarbeiter, Ärzte und Pädagogen. Keine dieser Personen hat sich an Ausländer verkauft, sondern sie arbeiten zum Wohle ihrer Mitbürger. Ihr Wissen und ihr Können sind unersetzlich und oft lebensnotwendig für unsere Klienten. Die Caritas ist eine sozial verantwortungsbewusste Organisation und kümmert sich nicht nur um Bedürftige, sondern auch um ihre Mitarbeiter, die an den Staat ihre Steuern entrichten, sie garantiert den Lohn und stellt Arbeitsplätze zur Verfügung.

Die Caritas ist eine katholisch-kirchliche Organisation, die gegründet wurde, um den Menschen unabhängig von ihrem Glauben, ihrer Nationalität oder anderen Merkmalen zu dienen.

Aber einige meiner Landsleute, die die Macht besitzen, die nicht wissen oder schon vergessen haben, was es bedeutet, arm zu sein, schauen auf unsere Arbeit herab. Sie sind eigentlich durch ihr Amt beauftragt, die Gesetze der Russischen Föderation einzuhalten. Aber in ihnen steigt die „genetische“ Erinnerung an die Kreuzzüge, an Revolutionen, usw. auf.

Sie erinnern sich an den Nationalstolz der Großrussen und daran, dass nur der Staat dazu fähig sei und das Recht besitze, den Bedürftigen zu helfen. Nur sie wissen, wie, wann und wie viel Hilfe ein in Not geratener Mensch benötigt. Sie sehen in uns und in unserer Arbeit irgendeine Art der Bedrohung. Sie glauben nicht, dass wir, die wir ausländische Hilfe für unsere Tätigkeit erhalten, keine eigennützigen Ziele verfolgen, sondern einen persönlichen Vorteil daraus ziehen wollen, dass wir z.B. Missionierung betreiben oder uns das Eigentum der alten Menschen aneignen, die in unserem Altersheim wohnen.

Diese ihre Verdächtigungen ergießen sich in eine Hysterie gegen vermeintliche Agenten. Sie suchen dort Feinde, wo es sie schon vom Grundsatz her gar nicht geben kann.

Dies kann man über jeder Nicht-Regierungs-Organisation sagen, die Finanzierung aus dem Ausland erhält. Massenüberprüfungen bedeuten eine pauschale Schuldvermutung, die Vermutung über die Gesetzlosigkeit des gesamten nicht-kommerziellen Sektors. Es entsteht der Eindruck, dass der Zweck der Überprüfungen darin besteht, ein negatives Bild aller Nicht-Regierungs-Organisationen in den Augen der Öffentlichkeit entstehen zu lassen. Das wird jedenfalls durch einen solchen Umgang mit den gesellschaftlichen-, Wohltätigkeits- und mit Menschenrechtsorganisationen, wie eben den Massenüberprüfungen, zum Ausdruck gebracht.

 An 11. Juni nimmt die Caritas zusammen mit anderen Nicht-Regierungs-Organisationen an einem "Tag der offenen Tür“ teil. Alle Interessierten laden wir ein, sich mit unserer Arbeit vertraut zu machen, unsere Projekte zu besuchen, und sich genauer mit unserer Tätigkeit zu befassen.

 Die Caritas und ihre politischen Aktivitäten

„Ausführende Funktion eines ausländischen Agenten“

 In Punkt 2 §1 des föderalen Gesetzes 121 über Nicht-Regierungs-Organisationen heißt es unter der Überschrift „Ausführende Funktionen eines Ausländischen Agenten“:

"Nicht-Regierungs-Organisationen, welche sich an politischen Handlungen beteiligen, betrachtet der Gesetzgeber als solche NGOs, die unabhängig von ihren Zielen und Aufgaben, die in ihren Satzungen festgelegt sind, an der Organisation und Durchführung politischer Aktionen teilnehmen (das gilt auch für die Finanzierung).“

Als solche Aktionen kann man die von uns durchgeführten "Runden Tische" über Suchtprobleme, verwahrloste Kinder oder über Behinderung und andere Themen bezeichnen. Aber alle unsere Aktivitäten sind nicht auf die Veränderung der Politik gerichtet, sondern im Gegenteil auf ihre effektive Umsetzung. Wir wollen, dass unsere Gesetze im sozialpolitischen Bereich funktionieren. Wir wollen, dass die Personen, die für ihre Umsetzung verantwortlich sind, auch wirklich für jede von ihnen getroffene Entscheidung Verantwortung tragen. Darum schließen wir uns mit anderen Nicht-Regierungs-Organisationen und Vertretern von staatlichen Strukturen zusammen, die Aufgaben in der Sozialpolitik umsetzen, diskutieren gemeinsam die anfallenden Probleme und suchen nach Wegen, diese zu lösen. Wir möchten, dass man uns hört, denn wir vertreten die Interessen derer, für die unsere Gesetze geschrieben und beschlossen werden.

Was die konkrete Tätigkeit der Caritas St. Petersburg betrifft, so haben wir 2012 insgesamt 20 Wohltätigkeitsprojekte verwirklicht. Dies ermöglichte, 37 Mitarbeiter fest anzustellen und mehr als 100 freiwillige Helfer zu beschäftigen. Im Verlauf  des Jahres 2012 wurden für die Wohltätigkeitsarbeit 32.843.571,25 Rub. ausgegeben, davon 3.401.257,08 Rub Steuern, also 10 % ; dazu 318.274,46 Rub Bankgebühren, also 1 %.

Unsere Tätigkeit ist transparent und offen. Über jedes unserer Projekte kann man sich auf unserer Webseite genauer informieren.

 

Natalia Pevtsova

Direktorin